BAUEN IM BESTAND – UMGANG MIT AUGENMASS
Die Zeitschrift industrieBAU widmet ihre dritte Ausgabe 2024 der Frage „Was ist von Bestand?“. Karin Kronthaler interviewte Peter Greggenhofer zur Revitalisierung des ehemaligen LEDVANCE-Areals zu den LICHTHALLEN Augsburg durch Ott Architekten. Lesen Sie hier das Interview:
Noch vor einigen Jahren galt im Industriebau die Devise: Lieber wegschieben und neu bauen. Hier hat ein deutlicher Wandel in den Köpfen stattgefunden. Kann die Revitalisierung des Ledvance-Geländes Vorbild sein für den Umgang mit vorhandener Bausubstanz aus der Industrie?
Peter Greggenhofer: Das ist spannend! Es gibt ja noch viele Industriebrachen, die uns überall begleiten. Man muss sich jeden Standort anschauen und Ziel muss sein, alte Anlagen umzunutzen und den Gebäudebestand zu erhalten. Ob für Wohnnutzung oder wie hier als Multi-Tenant-Gebäude. Früher hat ein Investor nur die leere Grundstücksfläche gesehen und die Planung neu aufgesetzt. Mittlerweile schaut man aber darauf, welche Bauteile weiterverwendet werden können. Dabei spielen aber auch umwelttechnische Aspekte eine Rolle. Wie schadstoffbelastet ist der Boden in Kombination mit der Bausubstanz? Hier sind Gutachten nötig. Das andere ist der Bestandsschutz. Was wurde genehmigt und wurde es auch so umgesetzt? Nur dann hat ein Gebäude das Potenzial, werthaltig weitergeführt zu werden. Ansonsten erhöht sich der Aufwand womöglich exponentiell.
Welche Nutzungen sind in Bestandsbauten denkbar?
Hier ist es hauptsächlich Logistiknutzung. Es sind aber auch kleinere Handwerksbetriebe denkbar, die dort ihre Werkstätten haben und Showrooms oder einen kleinen Verwaltungsbereich betreiben. Den Ausbau übernimmt jeder Mieter in Eigenregie. Wir haben nur jeweils eine Basiseinheit konzipiert mit einer Sanitäreinheit und einer Büroeinheit. Die Sanitäreinheit ist wichtig für die Infrastruktur des Hauses und ein zentrales Element für die rasche Vermietbarkeit.
Was ist neben Schadstoffbelastung und Bestandsschutz noch zu beachten?
Wichtiger als die verbauten Materialien ist die Flexibilität der Baustruktur. In jeder Epoche gibt es Beispiele, die sehr sinnhaft gebaut wurden, und manche, die heute überhaupt nicht mehr funktionieren. Das heißt, wenn man ein Gebäude hat, das damals schon durchdacht war – vernünftige Spannweiten, vernünftige Rasterung, vernünftige Addition von Bauabschnitten und nicht die berüchtigten „vereinigten Hüttenwerke“ –, also wenn diese Grundstruktur so gut ist, dass sie auch weiteren flexiblen Nutzungen standhält, dann kann man auch relativ einfach mit neuen Systemen darauf aufsetzen.
Welche Bedeutung hat das Thema Adressbildung und Branding für Ihr Büro?
Wir bauen gerne für den Mittelstand. In unserer Region rechnen Unternehmer ganz genau. Dort kommt zuerst das Produkt, dem alles untergeordnet wird, und die Wertschöpfung daraus. Doch das Produkt funktioniert nicht allein, ohne Vermarktung. Und dort kommen wir ins Spiel. Der nächste Schritt ist das Branding, das wiederum einher geht mit dem Thema Kunden- und Mitarbeitergewinnung. Das heißt, man braucht ein Gebäude, das diese Marke transportiert und ein Arbeitsumfeld, das den neuesten Standards entspricht.
Welches Potenzial steckt im Bestand?
Es steckt auf jeden Fall viel Potenzial drin. Es muss immer beleuchtet werden, was Sinn macht und was nicht. Das Thema nun rein darauf zu reduzieren: „Wir dürfen nichts Neues mehr bauen“, wird nicht zielführend sein, weil wir das Bauen sonst noch teurer machen. Es gilt, das Augenmaß zu behalten.